Soll eine Uhr die Zeit nicht nur optisch zeigen, sondern auch akustisch mitteilen, "was die Uhr geschlagen hat", so kommt sie mit einem Räderwerk nicht aus. Sie braucht ein zweites Werk, welches erst einmal unabhängig vom Gangwerk funktionieren muss. Da eine solche Uhr "schlägt" - keine Angst, sie schlägt nicht den Besitzer! - heißt das zugehörige Werk "Schlagwerk".
Wir unterscheiden Schlagwerke nach ihrer Schlagleistung (Stundenschlagwerke, Halbstundenschlagwerke, 4/4-Schlagwerke), nach ihrer Schlagart (Bim-Bam; Westminster) und nach ihrem Konstruktionsprinzip (Schloß- oder Schlußscheibenschlagwerke, Rechenschlagwerke).
In den meisten Wanduhren alter Zeit kommen Schlagwerke zum Einsatz, die die volle Stunde dadurch anzeigen, dass sie Stundenzahl schlagen und die halbe Stunde durch einen einzelnen Schlag verkünden.
In Wanduhren neuerer Zeit kann man auch Westminster-Schlagwerke finden. Näheres zum Westminster-Schlag finden Sie unter der Rubrik "Westminster" hier auf meiner Homepage.
Der Westminsterschlag wurde gerne bei Buffetuhren eingebaut, ebenso der Bim-Bam-Schlag, das wurde durch den jeweiligen Zeitgeschmack beeinflusst.
Für uns interessanter ist das unterschiedliche Konstruktionsprinzip:
Die Schloßscheibe
Zunächst wollen wir uns das Schloßscheiben-Schlagwerk ansehen. Es wird auch Schlußscheibenschlagwerk genannt. Bei Schlagauslösung dreht sich, angetrieben durch Feder oder Gewicht, ein Zahnrad, auf dessen Welle die Schlußscheibe meist außerhalb der Werksplatinen montiert ist. Die Schlußscheibe ist in unterschiedlichen Abständen eingekerbt. Die Abstände zwischen diesen Einkerbungen nennt man Kamm. Die Kämme sind verschieden lang und bestimmen die Anzahl der Schläge.
Damit die Uhr auch "versteht", wie lange sie schlagen soll, tastet ein Metallhebel, das Messer, die Länge der Kämme ab. Sobald das Ende eines Kammes erreicht ist, fällt das Messer in die Einkerbung der Schlußscheibe und hält mit dem sogenannten Fallenhebel den Anlaufstift eines weiteren Zahnrades, des Fallenrades, fest. Beim Halbstundenschlag "findet" das Messer des Fallenhebels keinen Kamm, fällt darum sofort in die Einkerbung der Schlußscheibe zurück und hält das Schlagwerk wieder an. Je länger der Kamm also ist, desto öfter schlägt die Uhr. Die Fertigung eines solchen Schlagwerkes ist recht einfach, die Anzahl der Hebel, die zum Auslösen und wieder Anhalten des Schlages erforderlich sind, ist überschaubar gering. Einen Haken hat die Sache aber dennoch:
Wird z.B. die Feder des Schlagwerkes durch ein Versehen oder durch Unachtsamkeit gar nicht oder weniger aufgezogen als die Feder des Gangwerkes, so kann es passieren, dass die Uhr zwar noch geht, aber nicht mehr schlägt. Oder anders ausgedrückt: Das Schlagwerk bleibt z.B. kurz vor "Drei Uhr" stehen, das Gangwerk treibt die Uhr aber noch bis kurz vor "Sechs Uhr" weiter. Werden nun beide Federn wieder aufgezogen, so zeigt die Uhr zwar "Sechs Uhr", schlagen wird sie aber "Drei Uhr".
Und diesen Fehler kann die Uhr nicht selbständig korrigieren. So finden wir bei solchen Uhren tw. eine kleine Kordel, u.U. verziert mit einer Perle neben dem Schlagwerk herunterhängen. Ziehen wir an dieser Kordel, so können wir das Schlagwerk von Hand auslösen und so oft schlagen lassen, bis angezeigte und geschlagene Zeit wieder übereinstimmen. Bei Carl Werner, Lenzkirch und einigen anderen Herstellern erreicht man dies durch das Anheben des Messers, das in die Schloßscheibe ragt.
Es hat sich aber gezeigt, dass Uhrenlaien die Sache damit trotzdem nicht wieder gerichtet bekommen haben. Und so ist in Werken höherer Qualität die Schlagwerksfeder länger als die des Gangwerkes, so dass das Schlagwerk noch über eine gewisse Reserve verfügt und somit das Gangwerk früher stehenbleibt, wenn beide Federn ganz aufgezogen worden sind. Und wenn das Gangwerk stehenbleibt, wird das Schlagwerk ebenfalls angehalten. So ist gewährleistet, dass die Uhr sich beim Schlagen nicht "vertun" kann.
Natürlich können aber auch andere Ursachen dazu führen, dass das Schlagwerk nicht mit dem Gangwerk korrespondiert. Dann hilft nur noch der Gang zum Uhrmacher.
Rechenschlagwerke
Da das auf Dauer unbefriedigend sein muß, änderte man die Konstruktion des Schlagwerkes und baute sogenannte Rechenschlagwerke ein.
Beim Rechenschlagwerk fällt kurz vor Schlagauslösung ein gezahnter Hebel, der Rechen, mit seinem Auffall-Arm auf die Stundenstaffel. Die Stundenstaffel ist ein hinter dem Ziffernblatt montiertes,
schneckenhausähnlich geformtes Gebilde und hat dadurch verschieden tiefe Stufen, auf die der Auffall-Arm fällt.
Je tiefer die Stufe, desto tiefer fällt der Rechen und desto öfter schlägt die Uhr. In die Zähne des
Rechens greift nun ein Stift ein, der auf der Welle eines Zahnrades auf einem besonders geformten Stück Messing montiert ist. Dieses Stück Messing samt Stift heißt "Schöpfer", das dazugehörige Zahnrad "Schöpferrad".
Mit jeder Umdrehung des Schöpferrades dreht sich auch der Schöpfer und hebt dabei mit dem Stift den Rechen um jeweils einen Zahn wieder nach oben. So lange, bis das Werk angehalten wird.
Die Stundenstaffel wird durch das Gangwerk weiterbewegt, sie ist damit, anders als die Schlußscheibe, vom Schlagwerk unabhängig. Das bedeutet, dass die Uhr immer richtig schlägt. Denn, wenn das Schlagwerk nicht mehr schlagen kann, weil die Feder abgelaufen ist, das Gangwerk aber
weitergeht, so wird die Stundenstaffel ebenfalls weiterbewegt.
Zieht man nun das Schlagwerk wieder auf, so "weiß" die Uhr, wie oft sie schlagen muss, da der Rechen ja immer soweit abfällt, wie die Stundenstaffel es erlaubt. Genial, nicht wahr?
Aber in der Konstruktion eben auch komplizierter und darum teurer herzustellen. Auch ist das Anheben des Rechens tw. mit Geräusch verbunden, was von manchem Zeitgenossen als störend empfunden wurde und so gibt es nach wie vor Freunde des Schloßscheibenschlagwerkes, trotz der Möglichkeit des Fehlschlagens bei Schloßscheibenwerken.
Viertelstundenschlag, Westminster, Grande Sonnerie
Bei Schlagwerken, die viertelstündig schlagen, z.B. dem Westminster-Schlagwerk wird eine Kombination von Schlußscheibe und Rechen verwandt. Der Viertelstundenschlag wird über Schlußscheibe, der Stundenschlag über Rechen gesteuert. Uhren mit Viertelstundenschlag verfügen über drei Werke und sind darum erheblich komplizierter gebaut und leider damit auch zu reinigen und zu warten.
Ganz allgemein gilt, je mehr Anzeigen eine Uhr hat, egal ob optisch oder gar akustisch - der Fachmann spricht von "Komplikationen" - desto aufwendiger wird die Konstruktion, und desto mehr Fehlerquellen können entstehen.
Darum waren die Uhren, die in den Amtstuben der Einrichtungen hingen, die genaue Zeit brauchten wie Bahnhöfen o.ä, auch nicht mit derartigen Fehlermöglichkeiten behaftet. Sie hatten ein Gangwerk, sonst nichts. Und nach ihnen wurden die anderen Uhren einreguliert. Daher stammt der Name
"Regulator", den wir heute auch gerne für Uhren mit Komplikationen verwenden.
Eine besondere Komplikation ist die "Grande Sonnerie", ein Viertelstundenschlagwerk mit Repetition. Die Uhr schlägt die Viertelstunden (Viertel nach= ein Schlag, Halb=zwei Schläge, Viertel vor=drei Schläge, Voll=vier Schläge) und danach wird jedes Mal die vergangene Stunde noch einmal geschlagen, repetiert.
Die Schläge erfolgen meist auf zwei verschiedene Tonspiralen. Der Aufwand, die auch dafür nötigen drei Federwerke störungsfrei miteinander kommunizieren zu lassen, ist erheblich, Werke mit einer solchen Komplikation sind entsprechend teuer. Die "Grande Sonnerie" wird gerne in dreigewichtige Wiener Regulatoren eingebaut.
Nun werden Sie sicher sagen: "Das ist ja alles schön und gut, aber woher weiß denn das Schlagwerk, dass es schlagen soll?"
Auf die Minutenradwelle, also auf die Welle, die den Minutenzeiger dreht, ist ein Auslösestern montiert. Er hat zwei Zacken. Diese Zacken heben mehrere Hebel an, von denen einer den Anlaufstift eines Zahnrades des Schlagwerkes freigibt. Das Schlagwerk kann seine Arbeit verrichten, so lange, bis es dadurch, dass der Stift wieder auf den Hebel aufläuft, angehalten wird. Dieses Prinzip greift sowohl beim Schloßscheiben- als auch beim Rechenschlagwerk.
Bei Uhren mit Viertelstundenschlag, hat der Auslösestern vier Zacken, die das Viertelstundenschlagwerk auslösen. Dieses seinerseits löst kurz vor seinem letzten Volle-Stunden-Schlag das Stundenschlagwerk aus.
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